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.Kritische Diversität

.Kritische Diversität

Mit den Begriffen Antidiskriminierung und Kritische Diversität zielt das FAM auf mehr Vielfalt, Barrierefreiheit und Empowerment in der Wissenschaft. Kritische Diversität bedeutet in diesem Zusammenhang, über „Diversity Management“-Ansätze hinaus auch strukturelle und historisch gewachsene Machtunterschiede in den Blick zu nehmen und aktive Fördermaßnahmen zur Herstellung von Chancengleichheit und Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt zu ergreifen.

 

Aktiv ist das FAM in den Bereichen Rekrutierung und Stellenpolitik, Bildung, Umfrage – aktuell zu einer Bestandsaufnahme der Situation in der Gesellschaft für Medienwissenschaft – sowie einer Reflexion des Konzepts von Wissenschaftsfreiheit.

»Ein paar Zahlen:

Keine
deutsche Universität ist nach einer Frau benannt.
Zwei
Universitäten (von 120) werden von Ostdeutschen geleitet.
Fünf
staatliche Hochschulen von einer Person, die im Ausland geboren wurde

– das zeigt eine Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung, die diese Woche erscheint. Von den außeruniversitären Forschungseinrichtungen – Max-Planck, Helmholtz, Leibniz, Fraunhofer – wurde keine je von einer Frau geleitet. 3400 Professoren und Professorinnen in Deutschland (von insgesamt rund 49.000) haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. 24,7 Prozent der Professuren sind mit einer Frau besetzt. Jede zehnte Professur hat eine Person inne, die aus einer Arbeiterfamilie kommt.«

(DIE ZEIT Nr. 10/2021, 4. März 2021)

Das FAM möchte dazu beitragen, tradierte Macht- und Herrschaftsverhältnisse in der weißen, bürgerlichen und heteronormativen Institution Hochschule sichtbar und damit kritisierbar zu machen, um sie zu überwinden. Denn der Status quo dieser Institution läuft darauf hinaus, Forschungs- und Lehrperspektiven von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen, von People of Color, Schwarzen Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Be_hinderung, LGBTIQ*, Arbeiter*innenkindern und Frauen* systematisch zu benachteiligen. Es geht uns ferner darum, Privilegien zu hinterfragen, Bewertungssysteme und strukturelle Diskriminierungen zu erkennen und abzubauen sowie neue, vielfältige Perspektiven, Erfahrungen, Lebens- und Repräsentations- ebenso wie Denkweisen aufzuzeigen und zu ermöglichen.

 

Universitäten und Forschungseinrichtungen sind extrem homogen – in Bezug auf das Geschlecht, die Sexualität, die kulturelle und soziale Herkunft. Personen, die als „anders“ wahrgenommen werden, haben schlechtere Chancen auf beruflichen Erfolg, wissenschaftliche Auszeichnungen, auf den Zugang zu Forschungsgeldern und auf einflussreiche Positionen. An deutschen Hochschulen belegen Studien und Erfahrungsberichte von Studierenden und Wissenschaftler*innen mit Rassismuserfahrung Zugangsbarrieren, Ausschlussmechanismen und Bildungshindernisse.

Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung zeigen sich in den Lehr- und Forschungsformaten sowie -inhalten, in der (Nicht-)Einrichtung von Professuren und Dozenturen ebenso wie im Hochschulalltag für Studierende und Beschäftigte. Sie spiegeln sich in der personellen Besetzung auf allen Ebenen wider. Dies gilt auch für die Medienwissenschaft: Es sind gerade die Kultur- und Geisteswissenschaften, die eine bemerkenswerte Homogenität der Institution reproduzieren, während sie gleichzeitig kritisches Wissen über die Bedingungen dieser institutionellen Reproduktion beitragen.

In dieser Ambivalenz situiert, analysieren wir als Medienwissenschaftler*innen die besondere Rolle von Medien für Rassifizierung, für post/koloniale Expansion und Ausbeutung und deren je intersektionale Verstrickung in Prozesse der Vergeschlechtlichung und Normalisierung, Überwachung und Kontrolle.

 

Wissen aus marginalisierten Perspektiven wird auch in der Medienwissenschaft selten als legitimes und wertvolles Wissen behandelt. Die Deutungshoheit darüber, was aus „wissenschaftlicher Sicht“ valide ist und wer qualifiziert ist, an Wissensproduktion teilzunehmen, ist fest verankert in kolonial geprägten, heteronormativen, klassistischen und ableistischen Strukturen. Die dadurch immer wieder aufrecht erhaltenen Marginalisierungsprozesse gilt es aufzubrechen. Wissenschaft soll den Blick weiten.

Sie soll beobachten, analysieren, hinterfragen, neu denken. Das kann nicht gelingen, wenn ein großer Teil der Menschheit mit seinen Erfahrungen, Perspektiven und Möglichkeiten nicht an diesem Prozess teilhaben kann. Eine Wissenschaft, die von der Position einer kleinen homogenen Gruppe spricht, ist nicht belastbar. Entsprechend wollen wir den diskriminierenden und rassistischen Strukturen in medienwissenschaftlichen Institutionen mit Multiperspektivität, Dissonanz und heterogenen Erfahrungen begegnen:

 

Wie lässt sich die Diversität von Mitarbeitenden an Institutionen vergrößern?

Wie lässt sich die Diversität der Studierendenschaft erweitern?

Wie lassen sich Konzepte der Affirmative Action (aktive Förderung) im deutschsprachigen Kontext weiterdenken und implementieren?

Wie kann das kritische Wissen aus den Disziplinen wie Critical Race und Post/De/Colonial Studies, aus Gender, Queer und Sexuality Studies sowie Dis/Ability Studies wirksam werden, um die Hochschulen als Institutionen weiterzuentwickeln und sie so belastbar zu machen für die gesellschaftliche Realität, in welcher sie situiert sein müsste?